Sturz in verhängnisvolle Baugrube (OLG München)

24.2.2020 (verpd) Ein Handwerksbetrieb, der auf einer Baustelle in einem Innenhof einen metertiefen Graben über die gesamte Hofbreite aushebt und keine adäquaten Sicherungsmaßnahmen ergreift, ist zum Schadenersatz verpflichtet, falls jemand bei Dunkelheit in den Graben stürzt. In so einem Fall kann den Geschädigten allerdings ein Mitverschulden treffen. Dies entschied das Oberlandesgericht München in einem Urteil (Az.: 7 U 3118/17).

Ein Mann war als Koch in einem Restaurant tätig. Er wollte während der Arbeitszeit bei Dunkelheit im Innenhof eines an das Lokal angrenzenden Gebäudes einen leeren Karton entsorgen. Dabei stürzte er in einen tiefen Graben, der wegen Bauarbeiten quer über den Hof ausgehoben worden war. Bei dem Sturz zog er sich schwere Gesichtsverletzungen zu.

Da es sich um einen Arbeitsunfall handelte, zahlte zunächst die gesetzliche Unfallversicherung neben den notwendigen Behandlungskosten auch andere Leistungen, die dem Koch aufgrund des Unfalles zugestanden haben. Allerdings verklagte die Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung den Bauunternehmer und den Grundstücksbesitzer als Bauherren auf Schadenersatz ihrer erbrachten Aufwendungen. Denn sie war der Meinung, dass es zu dem Unfall ausschließlich wegen der unzureichenden Sicherung des Grabens gekommen war.

Unzureichende Sicherung

Der Koch hatte zwar wegen eines an dem Gebäude aufgestellten Gerüstes bemerkt, dass Bauarbeiten stattfanden. Den praktisch ungesicherten Graben hatte er wegen der Dunkelheit jedoch nicht wahrgenommen. Mit seiner Klage hatte der gesetzliche Unfallversicherer jedoch nur teilweise Erfolg. Das Münchener Oberlandesgericht ging nämlich von einem erheblichen Mitverschulden des Verletzten aus.

Die Richter stellten zunächst einmal fest, dass wegen der im Innenhof abgestellten Mülltonnen dort auch bei Dunkelheit mit Fußgängern zu rechnen war – zumal sich dort zusätzlich ein Zugang zu einem angrenzenden Wohnhaus befand. Angesichts dessen seien sowohl der Bauunternehmer als auch der Hausbesitzer verpflichtet gewesen, den Baustellengraben zu sichern. Eine solche Sicherung habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht stattgefunden.

Es habe zwar die Anweisung bestanden, den Bereich des Grabens mit einer sogenannten Flatterleine abzuspannen. Weil diese bei Dunkelheit nicht zu erkennen gewesen sei, sei aber eine Absperrung des Grabens über seine volle Länge erforderlich gewesen. Dies hätte zum Beispiel mit Warnbaken beziehungsweise Geländern und Sperrgittern erfolgen können. Eine derartige Sicherung habe jedoch nicht existiert.

Erhebliches Mitverschulden

Nach Ansicht der Richter trifft den Verletzten gleichwohl ein erhebliches Mitverschulden am Zustandekommen seiner Verletzungen. Aufgrund des Gesamtbildes hätte ein verständiger Mensch nämlich damit rechnen müssen, dass sich wegen der Bauarbeiten Hindernisse wie etwa Vertiefungen auf dem Hof befinden könnten. Um Eigenschäden zu vermeiden, hätte er sich mit höchster Sorgfalt tastend fortbewegen müssen. Angesichts der Dunkelheit hätte der Verletzte auch in Betracht ziehen müssen, den Gang über den Hof zu unterlassen.

Denn er habe lediglich einen leeren Pappkarton zur Papiermülltonne bringen wollen. Das wäre jedoch auch bei Tageslicht am nächsten Morgen möglich gewesen. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen ging das Gericht von einem hälftigen Mitverschuldensanteil des Verletzten aus. Ausschlaggebend sei dabei insbesondere, dass die Hauptursache des Unfalles die zur Unfallzeit herrschende Dunkelheit war, in welcher der Graben nicht erkennbar war. Dies sei von beiden Parteien nicht zu beeinflussen gewesen.

Sie schlage aber gleichgewichtig auf beiden Seiten haftungsbegründend zu Buche. „Gerade wegen der Möglichkeit eines Personenverkehrs im Hof bei Dunkelheit wäre der Graben besser abzusichern gewesen. Umgekehrt hätte gerade die herrschende Dunkelheit den Verletzten in Kenntnis von den Bauarbeiten zur höchsten Sorgfalt anhalten müssen. Es erscheint daher billig, die wechselseitigen Haftungsbeiträge gleich hoch zu gewichten“, heißt es dazu abschließend in der Urteilsbegründung. Die Richter sahen keine Veranlassung, eine Revision gegen ihre Entscheidung zuzulassen.

Eigensicherung

Das Urteil belegt, dass nicht immer ein anderer für einen erlittenen Schaden voll und ganz haftet. Daher ist eine individuelle Absicherung empfehlenswert, die auch für solche und andere Fälle zumindest die finanziellen Folgen einer möglichen Gesundheitsschädigung abdeckt. Anders als eine gesetzliche bietet eine private Unfallversicherung beispielsweise rund um die Uhr einen weltweiten Schutz.

Einkommenseinbußen sind nämlich trotz einer eventuellen Leistung aus der gesetzlichen Kranken- Unfall- und/oder Rentenversicherung möglich, da diese, wenn überhaupt, nur einen Teil des bisherigen Erwerbseinkommens bei vorübergehender Arbeits- oder dauerhafter Erwerbsunfähigkeit ersetzen.

Ausgleichen lassen sich solche fehlenden oder unzureichenden gesetzlichen Absicherungen zum Beispiel durch eine private Krankentagegeld-Versicherung und/oder eine private Berufsunfähigkeits-Versicherung.

Bauherren und Bauunternehmen wiederum kann nur dringend zu ausreichender Haftpflichtversicherung geraten werden, um evtl. Versäumnisse bei Sicherungsmaßnahmen z.B. durch Mitarbeiter aufzufangen.


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